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Der Fluß  "LIPPE"

Erdgeschichtlich gesehen ist die Lippe mit etwa 10.500 Jahren ein noch sehr junger Fluss. Sie entspringt im Karstgestein des Eggegebirges am Südrand des Teutoburger Waldes in Bad Lippspringe, durchfließt das nördliche Ruhrgebiet und mündet nach ca. 220 Kilometern bei Wesel in den Rhein. Damit ist sie der längste Fluss Nordrhein-Westfalens.

Schon für die Römer war die Lippe ein wichtiger Transportweg. Sie nahmen erste Veränderungen an der Gestalt der Lippe vor, um sie effektiver für die Versorgung ihrer Lager zu nutzen. Ein Beleg für die frühe Schifffahrt ist die Entdeckung eines Einbaums von mehr als fünfzehn Meter Länge im Herbst 1950 bei Hünxe, dessen Alter der Ausgräber auf mindestens 2.000 Jahre schätzte. Ab dem 13. Jahrhundert wurde der Fluss vielfach gestaut, um Mühlen zu betreiben. Später erfolgten immer stärkere Begradigungen, vor allem, um die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen zu verbessern, aber auch um den Fluss für den Schiffsverkehr nutzbar zu machen.

Anfang des 20. Jahrhunderts war die Lippe ein massiv beeinträchtigtes Gewässer. Es gab kaum noch natürliche Bereiche, der Großteil des Flusses war kanalisiert. Hinzu kamen immer mehr Abwässer auch aus der Industrie und dem Bergbau. Im Jahr 1926 wurde daraufhin der Lippeverband gegründet, welcher sich der Problematik annahm und erstmals Maßnahmen zur Abwasserreinigung und zum Hochwasserschutz einleitete.

Mit der Europäischen Wasserrahmenricht­linie (EU-WRRL) wird nicht nur ein „guter Zustand“ für alle Gewässer in den Mitgliedsstaaten der EU bis zum Jahr 2027 gefordert. Seit Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2000 ist auch die ganzheitliche Betrachtung von Fluss-Einzugsgebieten Allgemeingut geworden. Danach ist der gesamte Fluss von der Quelle bis zur Mündung als Einheit zu sehen. Maßnahmen, die an irgendeiner Stelle des Gewässersystems zu Veränderungen führen, wirken sich auch in anderen Teilen des Einzugsgebiets aus.

Ein „guter Zustand“ der Fließgewässer – dies bedeutet, dass man dort die Fische, Kleinlebewesen und Pflanzenarten findet, die natürlicherweise in nahezu unbeeinträchtigten Gewässern leben. Voraussetzung dafür ist zunächst eine gute Wasserqualität durch lückenlose Abwasserbehandlung nach dem Stand der Technik. An der Lippe ist sie durch den Ausbau der Kläranlagen in den vergangenen Jahrzehnten größtenteils erreicht.

Eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Lippe zu einem lebendigen Gewässer spielt darüber hinaus die Verbesserung der Gewässerstrukturen. Naturnahe Gewässerstrukturen bieten vielfältige Lebensräume für die typischen Gewässerpflanzen und -tiere im und am Wasser. Die Lippe ist ein sogenanntes Gewässer erster Ordnung und steht damit im Eigentum des Landes NRW. Zwischen der Mündung der Lippe in den Rhein und Lippborg führt der Lippeverband die Maßnahmen zur ökologischen Entwicklung der Lippe im Auftrag des Landes durch.

Die Maßnahmen zur Entwicklung erfolgen – weil die Lippe ein Landesgewässer ist – mit Mitteln des Landes als Teil des Programmes Lebendige Gewässer. Mit dem Programm Lebendige Gewässer werden die Maßnahmen der Wasserrahmenrichtlinie im Land NRW umgesetzt.


Der Weg zur neuen Lippe

Lippe-Auenprogramm

Bereits in den 1990-er Jahren wurde das Lippe-Auenprogramm aufgelegt, welches anfangs vor allem durch „Uferentfesselungen“ auf verfügbaren Gewässerrandstreifen umgesetzt wurde. Dabei entfernte man Flussbausteine, die zur Sicherung der Ufer eingebaut waren, und verwendete sie für eine Anhebung der Sohle oder die Gestaltung von kleinen Inseln im Fluss. So kamen im Laufe von rund 20 Jahren insgesamt 55 Kilometer entfesselte Lippe-Ufer zusammen. Parallel dazu wurden Planungen für große Renaturierungsmaßnahmen aufgenommen und die Beschaffung der dafür erforderlichen Flächen vorangetrieben.

Neue Lippe-Mündungsaue bei Wesel

Am Unterlauf der Lippe ist seit 2009 die neue Lippe-Mündung bei Wesel mit einer ausgedehnten Aue kurz vor dem Rhein angelegt und 2014 fertig gestellt worden. Im Zuge der knapp fünfjährigen Bauzeit entstand durch Bodenabtrag beiderseits der 2,5 Kilometer langen neuen Gewässertrasse eine 142 Hektar große Flusslandschaft mit zahlreichen wechselfeuchten Flächen, die je nach Wasserstand der Lippe beziehungsweise des Rheins überschwemmt sind oder trocken fallen – bereits heute ein Eldorado für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Schon im Sommer 2016 konnten in der Weseler Lippe-Aue 595 Tierarten und 425 pflanzliche Spezies bestimmt werden.

2017 wurde zwischen dem Land NRW und dem Lippeverband eine Rahmenvereinbarung zur Durchführung der Gewässerunterhaltung und von Gewässerausbaumaßnahmen der Lippe im Lippeverbandsgebiet abgeschlossen. Auf dieser neuen Grundlage setzt der Lippeverband unter dem Namen Programm Lebendige Lippe die mit dem Land abgestimmten Gewässerentwicklungsmaßnahmen weiter um.

Die Entwicklung von Fluss und Aue erfordert einen langen Vorlauf. Daher müssen Projekte, die in der nächsten Dekade gebaut werden sollen, heute auf den Weg gebracht werden. Die Erfahrungen zeigen, dass die Projekte dann erfolgreich sind, wenn der Lippe ausreichend Raum zur Verfügung gestellt werden kann. Für Projekte, mit denen wir erst in einigen Jahren beginnen können, muss bereits heute der Grunderwerb angegangen werden.

Der Raum, der der Lippe zurückgegeben werden soll, wird intensiv genutzt. Die Landschaft ist geprägt durch eine gewachsene landwirtschaftliche Nutzung, die auch wirtschaftlich ein starker Faktor ist. Ohne Landwirtschaft wäre die Lippe-Region nicht mehr das, was sie seit Jahrhunderten ist. Daher ist es Ziel, die landwirtschaftliche Nutzung und die Gewässerentwicklung in Einklang zu bringen. Das Land NRW und der Lippeverband haben sich aufgemacht, durch Transparenz und frühzeitige Beteiligung für eine breite Akzeptanz der Maßnahmen zu sorgen. Frühzeit finden Gespräche mit allen Beteiligten statt, um gemeinsam zu überlegen, wie für das Programm Lebendige Lippe benötigte Flächen verfügbar gemacht werden können. Wenn eine im Grundsatz akzeptierte Planung vorliegt und die dafür tatsächlich verfügbaren Flächen feststehen, können aus Vorplanungen konkrete Genehmigungsplanungen entwickelt werden. Am Ende dieses kooperativen Planungsprozesses steht eine weitgehend abgestimmte Planung, die dann den zuständigen Behörden – in der Regel der Bezirksregierung, in manchen Fällen auch dem jeweiligen Kreis – zur Genehmigung vorgelegt wird. Diese führen dann die Planungsverfahren und in deren Rahmen vorgesehene Bürgerbeteiligungen durch.

Wo die Reise hingeht: Die neue Lippe

Bis alle Teilprojekte umgesetzt sind und sich die neue Lippe nach und nach zu einem naturnahen Gewässer entwickelt hat, wird es noch sicher mehr als eine Generation dauern. Nicht erst dann werden die Menschen in der Region die Früchte ernten. Mit dem Abschluss jedes einzelne Renaturierungsprojektes wird die ökologische Qualität der Lippe Stück für Stück steigen.

Auf Vorschlag des Landesfischereiverbandes Westfalen und Lippe e.V. (LFV) wurde die Lippe im März 2018 vom Deutschen Angelfischerverband (DAFV) und von den NaturFreunden Deutschlands (NFD) zur „Flusslandschaft des Jahres 2018/2019“ ausgewählt.

Mit dem Titel werden die bisherigen Erfolge der umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen gewürdigt. Damit ist nach der Emscher 2010/11 zum zweiten Mal ein Fluss in NRW als Flusslandschaft des Jahres ausgewählt worden.

Mit der Initiative "Flusslandschaft des Jahres" sollen

  • die Bevölkerung für die ökologische, ökonomische und soziokulturelle Bedeutung der Flüsse und der sie umgebenden Landschaften sensibilisiert,

  • Maßnahmen zur Erhaltung und zum Schutz von Flusslandschaften und ihrer Lebensgemeinschaften, insbesondere der in ihnen lebenden Fischbestände, initiiert,

  • abschließende Arbeiten zum Erreichen einer hohen Durchgängigkeit, der Wasserqualitätsverbesserung und/oder Renaturierung unterstützt und

  • naturnahe Wander- und Erholungsgebiete gefördert werden, die die Flusslandschaften einem nachhaltigen Tourismus erschließen.

Die Patenschaft für das zweijährige Projekt haben der Landesfischereiverband Westfalen und Lippe e.V. und die NaturFreunde Nordrhein-Westfalen übernommen. Gemeinsam mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern aus Politik und Verwaltung, Umweltschutz, Kultur und Touristik bieten sie Exkursionen, Vorträge, Seminare und Mitmachaktionen an, die die neue, quicklebendige Lippe als bedeutsamen und schützenwerten Lebensraum erfahrbar machen.

Durch Verbesserungen der Gewässerlebensräume in den letzten Jahrzehnten wurde die Lippe in weiten Teilen von einem stark ausgebauten und industriell geprägten Fließgewässer zu einem typischen Flachlandfluss mit Mäandern, Altwasserarmen, Sand- und Kiesablagerungen ganzheitlich aufgewertet. Durch den Rückbau von Deichen und Anbindungen von Auenbereichen kann die Lippe wieder regelmäßig Niederungen überfluten und formt so in Nordrhein-Westfalen selten gewordene Auenlandschaften mit Röhrichten, Feuchtwiesen und Auwäldern.

 

 YOUTUBE Videos zur Lippe:  Kajak-Paddeltouren

→ Lippstadt bis Lippetal-Herzfeld: https://www.youtube.com/watch?v=dptdmmTeueI

 → Datteln/Olfen bis zur Brücke Oelde-Mersch: https://www.youtube.com/watch?v=teupbPHoBws 

→ Lünen Buddenburg bis Selm-Bork Haus Dahl: https://www.youtube.com/watch?v=7ztobZp0Rgg

Haus Dahl bis Ahsen: https://www.youtube.com/watch?v=kEaFdFIVhgM

Ahsen über Haltern am See bis nach Holsterhausen Dorsten: https://www.youtube.com/watch?v=ZYZ9ejb0YaM

 Dorsten nach Krudenburg: https://www.youtube.com/watch?v=Gv69m8lVizw

→ Dorsten über Hünxe bis zur Rheinmündung bei Wesel: https://www.youtube.com/watch?v=vgxha4N-uyo

 


Auf der Lippe und ihren Nebengewässern leben das ganze Jahr über Enten, Gänse, Schwäne, Taucher und Rallen. Einzelne Paare der bedrohten Arten Knäk-, Löffel- und Schnatterente brüten regelmäßig dort, ebenso der Eisvogel. An der Lippe gibt es zudem zunehmend Tiere, die aufgrund der in den letzten Jahren durchgeführten gewässerökologischen Verbesserungsmaßnahmen den Fluss als Lebensraum wiederentdecken. Beispiele sind die Rückkehr des Bibers, des Weißstorchs, der Großlibelle Gemeine Keiljungfer und der Uferaas oder Kornmotte genannten Eintagsfliege. Auch der Otter besucht inzwischen wieder regelmäßig die Lippeaue.

Mit ihrer relativ hohen Wasserqualität bietet die Lippe Lebensraum für Fischarten wie Quappe und Steinbeißer, auch die Flußkahnschnecke und die Glanzleuchteralge konnten nachgewiesen werden.

Der Landesfischereiverband Westfalen und Lippe e.V. leitet seit 2016 ein Großprojekt zum Fischbestand der Lippe, dass aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds finanziert wird. Im Rahmen dieses Projektes fanden in diesem Jahr umfangreiche Elektrobefischungen entlang der gesamten Lippe statt. Zusätzlich durchgeführte Nachtbefischungen erwiesen sich als besonders interessant und offenbarten neben der erwarteten Fischfauna auch einen Lachs. Das Wanderfischprogramm NRW setzt sich seit 1998 intensiv für die Wiederansiedlung dieser Art ein. Die Lippe stand bisher nicht im Fokus für die Wiederansiedlung des Lachses. Derzeit wird durch die Kartierung von möglichen Laichhabitaten geprüft, ob die Lippe sich als Lachsgewässer eignet. Mit dem Fang eines 58 cm großen Lachses 2017 bei Wesel-Welmen scheint es bereits eine Antwort darauf zu geben. In der Vergangenheit konnten drei Lachse bei Untersuchungen von Fischaufstiegsanlagen mittels Reusen am Wehr Buddenburg und Beckinghausen gefangen werden, der letzte davon im Jahr 2003. Das 2017 gefangene Tier ist der erste Lachs für die Lippe, der im Rahmen einer E-Befischung nachgewiesen werden konnte und damit ein sensationeller Fund.

In Feuchtwiesen und anderen naturnahen Lebensräumen entlang der Aue kommen zum Beispiel Wachtelkönig, Laubfrosch und Lauch-Gamander vor.

Seit 2003 weiden auch polnische Konikpferde in der Lippeaue, ein Geschenk der niederländischen Forstverwaltung. Koniks sind die letzten Nachfahren der europäischen Wildpferde. Sie schaffen gemeinsam mit Rindern in einigen Bereichen ein Mosaik unterschiedlicher Wiesen- und Weiderasen – idealer Lebensraum für beispielsweise den Weißstorch.

 


Die Lippemündungsregion ist „eigentlich“ Teil des Vogelschutzgebietes „Unterer Niederrhein“

Das EU-Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein ist in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit:

wegen des ornithologischen Wertes, seine Lage in einem dicht besiedelten Bundesland und wegen einer Reihe rechtlicher Besonderheiten. Als schon 1983 benanntes EU-Vogelschutzgebiet gehört es zu den Gebieten, die kurz nach Verabschiedung der Richtlinie – also in der Geburtsstunde des europäischen Naturschutzrechts – ausgewiesen wurden. 25 Jahre später ist das Gebiet ein Musterbeispiel, um Stärken und Schwächen des europäischen Naturschutzrechts sowie die oft unzureichende Aufgabenwahrnehmung der beteiligten Naturschutzbehörden aufzuzeigen. Die weitere Entwicklung wird daher zur Nagelprobe für das europäische Naturschutzrecht werden, die sich im weiteren Verlauf auch auf später ausgewiesene EU-Vogelschutzgebiete und die sich erst schrittweise etablierende Praxis in der europäischen Naturschutzpolitik auswirken wird. 

 Geschichte der Unterschutzstellung

In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurde von Seiten der Naturschutz- und ornithologischen Fachverbände die Ausweisung von Schutzgebieten am Unteren Niederrhein thematisiert, da sich durch die Entwicklung der Landwirtschaft und anderer Nutzungen deutliche Rückgänge bedrohter Vogelarten abzeichneten. Die Ausweisung des Unteren Niederrheins als EU-Vogelschutzgebiet erfolgte dann im September 1983 durch ein Schreiben des damaligen Ministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen (MELF) an die EU-Kommission. Es wurde ein Gebiet mit einer geschätzten Flächengröße von etwa 25.000 Hektar gemeldet (eine spätere genaue Planimetrierung ergab eine Größe von 27.238 Hektar). Im Oktober 1983 folgte dann in derselben Abgrenzung und Flächengröße die Meldung als Feuchtgebiet internationaler Bedeutung gemäß Ramsar-Konvention (zusammen mit der Weserstaustufe Schlüsselburg und den Rieselfeldern Münster) durch das MELF. Ramsar- und EU-Vogelschutzgebiet waren in ihrer ursprünglichen Abgrenzung nicht binnendifferenziert, sie umfassten auch Streusiedlungen und Infrastruktureinrichtungen, die nicht aus der Flächenkulisse herausgenommen worden waren. Im Jahr 1992 wurde das EU-Vogelschutzgebiet durch Aufnahme von Bereichen an der Lippemündung, im Orsoyer Rheinbogen sowie in der Hetter ergänzt und damit auf 29.954 Hektar vergrößert.

Ausweisung von Naturschutzgebieten


In den 1980er und Anfang der 1990er Jahre wurde dann eine Vielzahl von Teilflächen des EU-Vogelschutzgebiets als Naturschutzgebiet (NSG) ausgewiesen. Bis 1993 wurden 29 Gebiete mit einer Gesamtfläche von 10.482 Hektar als NSG gesichert. Dies geschah zum großen Teil im Rahmen des nordrhein-westfälischen Feuchtwiesenschutzprogramms, wobei über die NSG-Verordnung in der Regel nur ein so genannter Grundschutz festgeschrieben wurde und weitergehende Schutzmaßnahmen auf freiwilliger Basis im Rahmen des Vertragsnaturschutzes erreicht werden sollten. In geringem Umfang wurden auch Flächen durch das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) für den Naturschutz erworben; außerdem wurden der Forstverwaltung unterstehende Offenlandflächen Naturschutzzwecken zugeführt. Rund 19.472 Hektar des EU-Vogelschutzgebietes blieben ohne NSG-Schutzstatus wobei weitere 10.555 Hektar als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen worden sind. Allerdings haben diese Schutzverordnungen keinen Bezug zur EU-Vogelschutzrichtlinie und den hier relevanten Schutzgütern.

Benennung als Important Bird Area (IBA)

Seit Einführung des IBA-Konzeptes durch den International Council for Bird Preservation (ICBP) erfolgte die Auswahl von Gebieten anhand objektiv nachvollziehbarer, ornithologischer Kriterien. Von Seiten der Naturschutzverbände wurde seit Ende der 1980er Jahre eine flächenmäßig unzureichende Ausweisung des Unteren Niederrheins beanstandet. Einer der Gründe für ein größer abzugrenzendes Vogelschutzgebiet lag in der Zunahme der Blässgans-Rastbestände und der damit verbundenen großflächigeren Nutzung von Äsungsflächen seit Mitte der 1980er Jahre. Folgerichtig wurde bereits in der ersten Zusammenstellung von Important Bird Areas im Bereich der Europäischen Union durch den ICBP ein IBA „Niederrhein: Wesel/Xanten – Emmerich/Hüthum" mit einer Flächengröße von 50.000 ha gelistet. Weitere Untersuchungen haben im Folgenden diese Flächengröße im Wesentlichen bestätigt. So wurde das Important Bird Area „Unterer Niederrhein" bei den folgenden europa- und deutschlandweiten Zusammenstellungen mit gut 48.000 Hektar Flächengröße abgegrenzt.

Verkleinerung des EU-Vogelschutzgebietes Ende der 1990er Jahre


In den 1980er Jahren wurde der Status als EU-Vogelschutzgebiet von Seiten der meisten Behörden, Landnutzer und Kommunalpolitiker bei Planungen nicht beachtet, da in dieser Zeit EU-Recht noch nicht als rechtsverbindlich angesehen und häufig ignoriert wurde. Das sollte sich Mitte der 1990er Jahre im Zuge der Diskussion um die Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat- (FFH-)Richtlinie grundlegend ändern. Nachdem verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofes die unmittelbare Beachtlichkeit des EU-Rechtes in den Mitgliedsstaaten bestätigt hatten, gab es bei der Meldung von FFH-Gebieten erstmals massive Konflikte mit verschiedenen Interessenverbänden, die konkrete Auswirkungen auf ihre Tätigkeiten befürchteten. Das 1983 ausgewiesene Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein geriet dabei ebenfalls mit in den Fokus und wurde zum Gegenstand politischer Diskussionen.

Die Verhandlungen um die Ausweisung von FFH-Gebieten wurde von Interessenverbänden dazu genutzt, auch die Ausweisung und Abgrenzung des EU-Vogelschutzgebietes in Frage zu stellen. Es wurde massive Lobbyarbeit für eine Verkleinerung des Vogelschutzgebiets Unterer Niederrhein betrieben. Der Kreis Kleve erhob die Forderung, die Vogelschutzgebietsabgrenzung auf die bis dahin ausgewiesenen Natur- und Landschaftsschutzgebiete zurückzunehmen. Letztendlich gab das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW (MURL NRW) teilweise nach und legte 1998 eine neue kartographische Abgrenzung des Vogelschutzgebietes mit einer Flächengröße von nur noch 20.200 Hektar vor - eine Verkleinerung um rund 9.000 Hektar. Grundlage der Vogelschutzgebietsverkleinerung durch das Ministerium war eine eigens für dieses Vogelschutzgebiet erstellte Methodik zur Gebietsabgrenzung auf der Basis von Gänsefraßentschädigungszahlungen.


Der NABU NRW hat dagegen immer darauf hingewiesen, dass Entschädigungszahlungen zwar in der Regel die Anwesenheit arktischer Wildgänse belegen, ansonsten aber nur Aufschluss über die Empfindlichkeit landwirtschaftlicher Kulturen gegenüber Fraßschäden geben und keine Rückschlüsse auf die Bedeutung einer Fläche als Äsungsfläche für arktische Wildgänse zulassen. Abgeerntete Flächen, die insbesondere für die Saatgans eine dominierende Bedeutung haben, werden mit dieser Methodik überhaupt nicht erfasst. Des Weiteren wurden die Vorkommen der anderen wertgebenden Arten vom Land NRW nur auf Teilflächen erfasst und berücksichtigt.Bei objektiver Betrachtung der Ereignisse ist offenkundig, dass die verkleinerte Abgrenzung des Vogelschutzgebiets Unterer Niederrhein nicht ausschließlich aufgrund von fachlichen Kriterien erfolgte, wie es für Vogelschutzgebiete rechtlich vorgesehen ist, sondern politische Vorgaben wesentlichen Einfluss hatten. In dieser Situation gab der NABU NRW ein Gutachten in Auftrag, das noch einmal die fachliche Abgrenzung des Vogelschutzgebiets Unterer Niederrhein nach ornithologischen Kriterien untersuchen sollte. Das Gutachten bestätigte die schon im IBA-Verzeichnis dokumentierte Abgrenzung und wurde dann Grundlage einer EU-Beschwerde des NABU NRW gegen die Verkleinerung des Gebiets.

Das Vertragsverletzungsverfahren 2001/5003 der EU gegen Deutschland

Aufgrund der, auch aus Sicht der EU-Kommission, widerrechtlichen Verkleinerung des Vogel¬schutzgebiets Unterer Niederrhein, der mehr als doppelt so großen IBA-Abgrenzung sowie der Ausführungen im Gutachten des NABU NRW eröffnete die EU-Kommission im Oktober 2006 mit dem Aufforderungsschreiben an die Bundesrepublik Deutschland das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2001/5003. Damit wurde der Fall des Vogelschutzgebiets Unterer Niederrhein wegen seiner Tragweite und Besonderheiten aus dem horizontalen Verfahren zur unzureichenden Ausweisung von Vogelschutzgebieten in Deutschland herausgenommen. Der NABU NRW wurde Beschwerdeführer dieses neuen Vertragsverletzungsverfahrens. Zur Unterstützung des Verfahrens wurden vom NABU NRW umfangreiche Materialien bereitgestellt.


Das Land NRW hat dann im Jahr 2008 mit der EU-Kommission einen Kompromiss ausgehandelt; an der Diskussion wurde auch der NABU NRW beteiligt. Die Einigung zwischen dem Land NRW und der EU-Kommission sah vor, dass das Vogelschutzgebiet mit Verordnung vom 28.04.2009 um 5.538 Hektar auf insgesamt 25.809 Hektar erweitert wird. Gleichzeitig verpflichtete sich das Land NRW gegenüber der EU-Kommission zur Erarbeitung eines Maßnahmenplans für das EU-Vogelschutzgebiet sowie zur Umsetzung der darin vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszustands der Zielarten unter den Brut- und Rastvögeln.


Der NABU NRW hält diese Nachmeldung nach wie vor für unzureichend, hat aber angesichts der Zustimmung der EU-Kommission auf eine Weiterverfolgung der Beschwerde verzichtet. Die fachliche Auffassung des NABU NRW spiegelt sich in einer weiterentwickelten IBA-Abgrenzung, die nun noch 38.000 Hektar umfasst, wider. Grund für die Verkleinerung der IBA-Abgrenzung von ursprünglich 48.000 Hektar sind vor allem die Herausnahme von kleineren Ortschaften und Hofstellen (Binnendifferenzierung) sowie die Abkopplung des Gebietes „Lippeaue" zu einem gegebenfalls eigenständig zu meldenden Vogelschutzgebiet.

 


 

Entlang des Flußes führt der erste Radfernweg Deutschlands, der von „Reisen für Alle“ zertifiziert wurde – die Römer-Lippe-Route.

In Detmold mit Schloss und Altstadt heißt es Anlauf nehmen für die einzige nennenswerte Steigung, die den Radler zu den Externsteinen steuert, eine bizarre Felsformation mit herrlicher Fernsicht. Belege der römischen Besatzung lassen nie lang auf sich warten, so etwa das Römerlager Anreppen, der Römerpark Bergkamen und das LWL-Römermuseum in Haltern am See. Der Zielort Xanten war 400 Jahre eine der wichtigsten römischen Städte in Germanien.

Begleitet wird die Radroute von Auen- und Seenlandschaften mit sehenswerten Orten wie Hamm und Lünen. Einer der Höhepunkte der Tour sind die vier Überfahrten über die Lippe – die kostenlosen Fähren werden angetrieben von der Muskelkraft der Radreisenden. Eine interaktive Online-Karte zur Barrierefreiheit hilft bei der individuellen Reiseplanung. 

Siehe auch unsere Extra-Seite: Radfernwanderweg-Römer-Lippe-Route

 


 

Quellen und Verweise:

Landesregierung NRW - Renaturierung der Lippe: Umweltministerium unterzeichnet Vereinbarung mit Lippeverband 13. April 2017: https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/minister-remmel-laengster-fluss-nrw-soll-natuerlicher-und-wilder-werden

LANUV NRW Beitrag:  Die Lippe: Flusslandschaft des Jahres 2018/2019    https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/5_natur_in_nrw/Natur-in-NRW_1-2019.pdf

Emscher/Lippe Verband – Programm Lebendige Lippe: https://www.eglv.de/lippe/ und https://www.eglv.de/lippe/lebendige-lippe/

Gemeinsam für eine Lebendige Lippe: Feierliche Unterzeichnung 13. August 2018: Am Lippe-Schlösschen unterzeichneten NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, Bürgermeisterin Westkamp, hochkarätige Vertreter der Landwirtschaft sowie die Vorstandsmitglieder des Emscher/Lippe-Verbandes Uli Paetzel und Emanuel Grün eine Vereinbarung zur Umsetzung des Programms „Lebendige Lippe“. https://blog.eglv.de/gemeinsam-fuer-eine-lebendige-lippe/

Gemeinschaftsprojekt Emscher-Lippe Verband mit StraßenNRW an der Lippe: https://blog.eglv.de/natuerlicher-rasenmaeher/

 

LANUV NRW: https://www.flussgebiete.nrw.de/die-lippe-alles-im-fluss-8055

und https://www.flussgebiete.nrw.de/die-lippe-flusslandschaft-des-jahres-2018-2019-7853

 

Landschaftsverband Westfalen-Lippe LWL – geographische Kommission für Westfalen: Die Lippe und ihr Gewässereinzugsgebiet: https://www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Naturraum/Lippe

 

Naturfreunde Deutschland - Das ist die Lippe – Flusslandschaft des Jahres 2018/19

https://www.naturfreunde-nrw.de/lippe?page=1 / https://www.naturfreunde.de/flusslandschaft-lippe

https://www.naturfreunde-nrw.de/wasserweg-lippe-hamm

 

Landesfischereiverband Westfalen-Lippe. Projekt Wiederansiedelung der Quappe. / Großprojekt Fischbestand der Lippe.

https://www.lfv-westfalen.de/content/Verband/projekte/lippe_quappe.php  / https://fischundfang.de/lachs-in-der-lippe/

 

Deutsche Angelfischerverband e.V : Gemeinsames Engagement für die Lippe als Flusslandschaft des Jahres 2018/2019: Bei der Proklamationsfeier in Dorsten stimmten Vertreter der NaturFreunde Deutschlands, des Deutschen Angelfischerverbandes (DAFV e.V.), des Landesfischerverbandes Westfalen und Lippe e.V. sowie der beteiligten Kooperationspartner auf die zweijährige Patenschaft ein. Mit dem Titel würdigen der Deutsche Angelfischerverband e.V. (DAFV e.V.) und die NaturFreunde Deutschlands die bisherigen Erfolge der umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen am mit über 220 Kilometern längsten Fluss in Nordrhein-Westfalen. Die Patenschaft für das zweijährige Projekt haben der Landesfischereiverband Westfalen und Lippe e.V. und die NaturFreunde Nordrhein-Westfalen übernommen.

https://www.dafv.de/referate/aktuelles/item/172-proklamation-der-flusslandschaft-des-jahres-die-lippe.html

 

Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein:

http://natura2000-meldedok.naturschutzinformationen.nrw.de/natura2000-meldedok/de/fachinfo/listen/meldedok/DE-4203-401

https://www.lanuv.nrw.de/natur/schutzgebiete/vogelschutzgebiet-unterer-niederrhein

https://www.nabu-naturschutzstation.de/de/schutzgebiete/vsg-unterer-niederrhein

https://www.nabu-naturschutzstation.de/de/schutzgebiete/vsg-unterer-niederrhein/details-vsg-unterer-niederrhein

 

ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club: Die Römer-Lippe-Route – mit einem Teilstück im Lippemündungsraum neben der Frankfurter Straße in Lippedorf - ist der erste Radfernweg Deutschlands, der von „Reisen für Alle“ zertifiziert wird. Eine interaktive Online-Karte zur Barrierefreiheit hilft bei der individuellen Reiseplanung.  https://www.adfc-radtourismus.de/roemer-lippe-route/

 

WIKIPEDIA https://de.wikipedia.org/wiki/Lippe_(Fluss)

Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686: Die Mühen der Schiffbarmachung der Lippe  https://aktenlage.net/Wirtschaft/Schiffbarmachung-der-Lippe/

GoogleMaps: Lippe https://www.google.com/maps/d/viewer?ie=UTF8&t=m&oe=UTF8&msa=0&mid=1aCKpnxVurqZusJB5dqKMIdijFUE&ll=51.626157486731394%2C6.652581885571749&z=13

WDR: Die Lippe: Flussgeschichten zwischen Münsterland und Kohlenpott

Abenteuer Erde . 15.12.2019. 01:28:34 Std.. UT. Verfügbar bis 15.03.2020. WDR. Von Ulf Marquardt https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/abenteuer-erde/video-die-lippe-flussgeschichten-zwischen-muensterland-und-kohlenpott-100.html

auch https://programm.ard.de/TV/wdrkoeln/abenteuer-erde--die-lippe---flussgeschichten-zwischen-m-nsterland-und-kohlenpott/eid_281112387485125 und https://www1.wdr.de/fernsehen/abenteuer-erde/sendungen/an-den-ufern-der-lippe-100.html

Video Heimatflimmern 30. Juli 2019 ·Die Lippe: Fluss des Jahres: Früher fast ausgetrocknet, heute faszinierender Lebensraum! Das ist die Lippe, der längste Fluss in NRW https://www.facebook.com/heimatflimmern/videos/355906755058015/

Euroluftbild.de Video von Hans Blossey : Flußmündung der Lippe in Wesel: https://www.youtube.com/watch?v=KHp6uYkNDg0

DerWesten: Naturparadis Lippemündung 12.8.2015 https://www.derwesten.de/region/naturparadies-lippe-muendung-id10979725.html

 

 

 

 

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