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 wie natürlich gehaltenes, weidendes Großvieh - Rinder und Pferde - Natur, Klima und Mensch schützt

Wildnis, so zeigt der Autor*, heisst keineswegs, geschützte Landschaften sich selbst zu überlassen. Artenvielfalt braucht Weidevieh, egal welcher Rasse. Allerdings muss ihre Anzahl an die Weidefläche angepasst werden, um eine schädliche Überweidung zu vermeiden.

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"... Für viele gehört das Rindvieh zu den grossen Klimasündern. Doch auf der Weide ist es ein Klimaschützer und dient der Artenvielfalt.

...die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen  vermeldet, dass die Rinder, die zur Fleisch- und Milchproduktion gehalten werden, zusammen mit anderen Nutztieren das Äquivalent von 3,1 Milliarden Tonnen CO₂ ausstossen. «Bildeten diese Nutztiere ein einziges Land», so swiss-info, «so wären sie nach China und den USA der grösste Produzent von Treibhausgasen.».

... Greenpeace ... sieht in der Viehzucht ... die Hauptschuldige für alle Methanemissionen, die auch noch an anderen Stellen wie z.B. bei der Erdgasförderung entstehen. Die sanfte Kuh gilt Greenpeace als übler Klimakiller. Und ihre Hinterlassenschaften stinken nicht nur gen Himmel, dem Stallmist und den Kuhfladen entweicht zusätzlich Lachgas, ein hochpotentes Treibhausgas, dreihundertmal so stark wie CO₂. Das deutsche Umweltbundesamt konstatiert denn auch: «Die Produktion von einem Kilo Rindfleisch verursacht zwischen 7 und 28 Kilo Treibhausgasemissionen – Obst oder Gemüse dagegen liegen bei weniger als einem Kilo.»

Die Zahlen sind korrekt, beängstigend und die Schlussfolgerungen immer dieselben. So fordert der Naturschutzbund Deutschland, der NABU, eine Reduktion der Tierzahlen, insbesondere in der Intensivhaltung, um die Hälfte. «Gleichzeitig muss der Konsum von tierischen Produkten im gleichen Masse reduziert werden, um zu verhindern, dass die Probleme in andere Regionen der Welt verlagert werden.»   ...

...die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht sich veranlasst, den Bundesbürgern und -bürgerinnen zu empfehlen, ihren Fleisch- und Milchkonsum um 25 Prozent zu senken. Ihrer Rechnung nach könnten so ungefähr 7,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden.

Soweit alles nachweisbar und die Wissenschaft scheint diese halbblinde Sichtweise auch noch zu bestätigen, indem sie ganz nüchtern konstatiert: Zu viel Fleisch ist ungesund und erst noch schlecht fürs Klima und die Umwelt. Greenpeace setzt noch einen drauf. «Wenn wir weiter am aktuellen Lebensmittelmix festhalten, werden wir es nicht schaffen, unseren Kindern und Enkelkindern eine Erde zu hinterlassen, die die wachsende Weltbevölkerung gesund ernähren kann. 50 Prozent weniger Fleisch, aber auch Milchprodukte müssen es bis zum Jahr 2050 global sein. Nur dann können Bauern Lebensmittel so produzieren, dass unsere natürlichen Ressourcen geschützt werden.»

Das klingt echt bedrohlich: Das arme Rindvieh ist ein schlimmer Klimasünder. Sein Fleisch macht laut Greenpeace sogar krank. Der Genuss von zu viel Milch ebenfalls. Sein Futterbedarf frisst weltweit wertvolle Graslandflächen, zerstört Urwälder, forciert das Artensterben.

Stimmt und stimmt nicht

Ja, alles stimmt, ist hinreichend in den Medien wiedergekäut und stimmt doch nicht. Fast alle vergessen zu erwähnen, dass die ganze Aufrechnerei mit der Haltungsform steht und fällt. Vieh ist eben nicht gleich Vieh. Die arme Kuh, die angebunden und eng gedrängt zu hunderten in riesigen Ställen steht, wird tatsächlich zum üblen Klimasünder....

Die biologische Landwirtschaft schneidet erheblich besser ab. Sie trägt sogar zum Klimaschutz bei. Das klingt absurd und ist doch wahr.

Verteidigung der Kuh

Schon 2011 hat die Tierärztin und Agrarwissenschaftlerin Anita Idel in ihrem Buch «Die Kuh ist kein Klimakiller» [1] detailliert nachgewiesen, wie Kühe dem Klima und damit zugleich dem Artenschutz dienen. Sie knabbern das Gras kurz über dem Boden ab. Die Gräser reagieren mit verstärktem Wurzelwachstum, bilden neue Wurzelmasse, während alte Wurzeln absterben. Wurzeln aber binden sehr viel Kohlenstoff, den sie der Luft entziehen. Die in gesunden, d.h. nicht gespritzten und nicht kunstgedüngten Wiesenböden lebenden Tierwelt – vom Regenwurm und Assel bis zu Maulwurf und Hamster – sorgt durch ihr ständiges Wühlen dafür, dass das abgestorbene Material immer tiefer in die Erde transportiert wird. So entstehen stetig neue Kohlenstoffsenken. Gleichzeitig gelangen beim Umgraben Mineralien an die Oberfläche und stehen damit den Wiesenpflanzen zur Ernährung zur Verfügung. Sie wachsen, werden gefressen und ein neuer Kreislauf entsteht, der wieder CO₂ aus der Luft zieht und versenkt.

Nun könnte die konventionelle Landwirtschaft einwenden, dass eine Wiese durch das mehrfache Mähen im Jahr, um Silage für das Viehfutter zu machen, ebenfalls mehr Graswurzelwuchs hervorruft. Im Prinzip ist das richtig. Nur vergisst diese Argumentation, dass dabei die Vielfalt stirbt.

Die meisten Blumen und Gräser werden dabei gekappt, bevor sie ihre Blütenstände voll entwickelt haben. Nicht nur ihr Nektar fehlt dann vielen auf sie angewiesenen Insekten und Schmetterlingen, sondern auch ihre Blätter und Stängel, in denen sie oftmals ihre Eier ablegen und von denen ihre Larven sich ernähren. Die wiederum locken selten gewordene Vögel an.

Um eben dieses frühzeitige Mähen zu verhindern, gibt es sogar staatliche Förderung für naturbelassene Naturschutzflächen, die vor Mitte Juni, Anfang Juli nicht gemäht werden dürfen. Was vielen Naturschützern aber nicht bekannt ist: Eine sich selbst überlassene Wiese sieht zwar schön bunt aus, doch auf diesen Flächen setzen sich die kräftigsten und widerstandsfähigsten Pflanzen durch und unterdrücken auf Sonne und Wärme angewiesene kleinere Pflanzen und Insekten.

Wirkliche Artenvielfalt entsteht so nicht. Die braucht zur Beweidung Grossvieh, wie der Naturfilmer Jan Haft in seinem gerade erschienenen Buch «Wildnis» [2] an Beispielen aus der Praxis nachweist. Das Vieh frisst immer nur Teile der Wiese auf, lässt damit vielen Pflanzen und auch Insekten Zeit zur vollständigen Entwicklung. Nach Abgrasen der Lieblingsfresspflanzen wendet sich das Vieh zudem den bitteren, weniger zarten Pflanzen zu und hält sie so in Schach, dass sie die anderen nicht überwuchern können. Das schafft ein Gleichgewicht.

Selbst die Löcher, die die Hufen des Viehs hinterlassen, schaffen Lebensraum für konkurrenzschwache Pflanzen oder bieten Brutstollen für Wildbienen und andere Käferarten.

Und noch einen Vorteil gilt es gegenüber sich selbst überlassenen Flächen zu erwähnen. Wachsen dort die Pflanzen in die Höhe, wird der Boden verschattet und ist kühl. Viele Insekten lieben aber die Wärme des Sonnenlichts. Sie bleiben fern und damit auch ihre Fressfeinde, die Vögel und Fledermäuse.

Der Dung der Kühe düngt zudem nicht nur viele Pflanzen und Pilze, sondern bietet wiederum zahlreichen Insekten und Insektenfressern eine Mahlzeit. Von denen ernähren sich Vögel, Reptilien und Fledermäuse. Auf solchen Wiesen können auch bodenbrütende Vögel wie Lerchen und Rebhühner überleben. Kein Mähbalken macht ihnen den Garaus. Die wenigen Eier, die ein zufälliger Kuhtritt zerstört, sind zu verkraften.

Geniessen Sie Ihr Fleisch, aber…

Autor Jan Haft geht in der Naturgeschichte tausende Jahre zurück, um dieses Zusammenspiel von Artenschutz und Beweidung zu erklären. Wildnis, und das heisst grosse Artenvielfalt, gab es in Europa, wie paläontologische Befunde beweisen, dort, wo grosse Herden von Mammuts, Auerochsen und anderen grossen Huftieren weite Teile der Landschaft offenhielten, indem sie umherzogen und abweideten, was vor ihrer Nase wuchs.

Wildnis, so zeigt der Autor, heisst also keineswegs, geschützte Landschaften sich selbst zu überlassen. Artenvielfalt braucht Weidevieh, egal welcher Rasse. Allerdings muss ihre Anzahl an die Weidefläche angepasst werden, um eine schädliche Überweidung zu vermeiden.

Für uns Verbraucher bedeutet das durchaus ein verringertes und teureres Fleischangebot, denn solche ökologische Weidehaltung kostet Zeit und Geld und bringt kein Massenangebot an Fleisch mit sich. Aber unsere Gesundheit und eben auch der Klimaschutz werden es uns danken. Geniessen Sie das rote Fleisch und die kalziumreiche und damit knochenaufbauende Milch weiterhin, aber bewusst aus Bioviehzucht!

Das sind zumindest für den traditionellen Naturschutz verblüffende Erkenntnisse. Wildnis heute erfordert also bewusst geplante Eingriffe des Menschen, kein sich Überlassen der Natur. Arten- und Klimaschutz ist auf weidendes Grossvieh, und das ist bei uns die Kuh, angewiesen. Dem Rindvieh sei Dank.

 

[1] Anita Idel: Die Kuh ist kein Klimakiller. Metropolis, Marburg 2022 https://www.schweitzer-online.de/buch/Idel/Kuh-kein-Klima-Killer/9783731615132/A64736096/?ipe=url_stack_id_prev%3D32386 | Ausgabe 2011: https://www.perlentaucher.de/buch/anita-idel/die-kuh-ist-kein-klimakiller.html

[2] Jan Haft: Wildnis – Unser Traum von unberührter Natur, Penguin Verlag München 2023." https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Wildnis/Jan-Haft/Penguin/e607879.rhd

" Was bedeutet eigentlich Wildnis? Der preisgekrönte Naturfilmer Jan Haft über einen Sehnsuchtsort für Naturliebhaber und ein wichtiges Konzept des Naturschutzes

Ein unberührter Wald voller alter, majestätischer, auch umgestürzter Bäume, eine Landschaft ohne Spuren von Zivilisation – so stellen wir uns Wildnis vor. Aber stimmt das Bild? Erhalten wir eine intakte, artenreiche Wildnis, wenn wir die Natur sich selbst überlassen? In nicht mehr bewirtschafteten Wäldern etwa lebt heute trotzdem nur ein Bruchteil der heimischen Tiere, Pflanzen und Pilze. Warum ist das so? Der Biologe und vielfach ausgezeichnete Naturfilmer Jan Haft hinterfragt in seinem neuen Buch unser Verständnis von Wildnis und entwirft einen neuen Wildnisbegriff. Am Ende steht die Botschaft, dass eine lebenswerte und klimafreundliche Landschaft mit großer Artenvielfalt einfach zu haben wäre, wenn wir es wollten: Wir brauchen wieder große Pflanzenfresser wie Pferde, Kühe und Wasserbüffel auf »wilden Weiden«.

»Ich habe in den letzten Jahren selten ein Buch gelesen, dass so überzeugend für eine Kehrtwende im Naturschutz wirbt, ohne die Schwierigkeiten in der Praxis zu negieren. [Hafts] Buch ist ein überzeugendes Plädoyer für eine menschgesteuerte Wildnis mit großen Weidetieren.«  Johannes Kaiser bei SWR2 »lesenswert« (25. April 2023)

 

Quelle: https://www.infosperber.ch/umwelt/vielfalt-tiere-pflanzen/kontertext-lob-des-rindviehs/

 

 

→ Rolle der Pferde https://www.propferd.at/main.asp?VID=1&kat1=87&kat2=644&NID=6875&scsqs=1

UBA zu Treibhausgasemmissionen https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaft

 

Biodiversität, Klima, Natur