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Jagdrevier und Pächter

 

Die Lippemündung als Jagdrevier

 

Natur und Jagd gehören zusammen. Jagd ist eine wesentliche Voraussetzung für einen artgerechten und ausgeglichenen Wildbestand, für den Schutz von seltenen Vögeln und Säugetieren gegen natürliche Feinde, ob Fuchs, diverse Krähenvögel und andere. Dabei stehen Hege, Naturbeobachtung und der Erhalt der natürliche Vielfalt im Vordergrund, nicht der Abschuß von jagdbarem Wild in den festgelegten Jagdzeiten im Jahresablauf. Das gilt auch für den Lippemündungsraum, eigentlich ein naturbelassenes Reservat in unmittelbarer Nähe der Stadt Wesel, weitgehend definiert über seine natürlichen Grenzen Lippe und Rhein und die Verkehrsträger Bundesbahn/ B8 im Osten und Wesel-Datteln-Kanal im Süden.

 

Der Blick zurück auf 20 Jahre als Jagdpächter in der Lippemündung fällt gemischt aus.

 

-          Da waren Jahre der großen Veränderungen durch die umfangreichen Erdbaumassnahmen zur Renaturierung der Lippe selbst. Diese sind inzwischen längst abgeschlossen. Die Lippe hat sich eine natürliche Auenlandschaft  geschaffen, eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Zustand zuvor, als die Lippe in einem engen künstlichen Bett floß.

-          Die Lippemündung ist für die naturinteressierte Öffentlichkeit zugänglich geworden. Der neue Hülskens-Radweg mit seiner Perspektive in die Lippeaue ist eine Bereicherung. Und für die Natur akzeptabel, wenn er schonend benutzt wird (keine Motorräder usw., keine nächtliche Joggingstrecke, wenn die Natur Ruhe braucht) und die Menschen nicht den Wege verlassen. Leinenpflicht für Hunde ist im Naturschutzgebiet zwingend vorgeschrieben und auf vielfältigen Hinweisschildern deutlich zu lesen, aber leider nicht Alltag vor Ort. Hier  besteht im Sinne von angewandtem Naturschutz  viel Verbesserungsbedarf.

-          Zugleich ist das Revier unruhiger geworden. Und wo viele Menschen sind, da zieht die Natur sich zurück. Auch wenn wir es nicht merken.

 

Es hat erhebliche Verschiebungen im Wildbestand und bei den Lebensbedingungen für das Wild gegeben.

 

-          Die Kaninchen, einst sehr zahlreich, sind sehr selten geworden. Durch Krankheiten, aber auch weniger natürliche Möglichkeiten zum Anlegen von hochwasserfreien Bauen.

-          Gänse (i.w. Graugänse und Nilgänse, auch gelegentliche Kanadagänse) sind Standwild geworden und haben sich erfreulich vermehrt.

-          Die Palette der Wasservögel hat sich erheblich vergrößert.

-          Der Storch ist inzwischen wieder heimisch geworden und brütet im Bereich der Schleuse am Kanal.

-          Durch vielfältige zusätzliche Zäune, teils engmaschig und mit Stacheldraht bewehrt) ist der Bewegungsraum für Rehwild stark eingeschränkt. 

-          Und wo entlang des neuen Radwegs `Wildschutzzäune` errichtet wurden, da haben auch Hase und andere Kleinsäuger keine Chance zur großräumigen Bewegung in ihrem natürlichen Revier - eine unnötige und gedankenlose Entwicklung.   

-          Die intensive Schafbeweidung in den natürlichen Rückzugsgebieten in der Lippesenke und im Biotop `Obsthof` schränken den Lebensraum für Bodenbrüter, Kleinsäuger und Rehe massiv ein.

-          Die hohe Verkehrsdichte auf Frankfurter und Emmelsumer Straße fordert ihre Opfer, zahlreiche Wildunfälle sind leider traurige Realität.      

 

Durch das neue Gewerbegebiet Deltaport am Rhein-Lippe-Hafen (früher `Ölhafen`) und seine Zufahrt von der Emmelsumer Straße aus wird der Lippemündungsraum in seiner natürlichen Ausdehnung zwischen Lippe und Kanal leider unwiderruflich geteilt werden, in ihrer Größe durch zusätzliche versiegelte Gewerbeflächen entlang der Emmelsumer Straße und rings um den Rhein-Lippe-Hafen (ungehemmter Flächenfraß entgegen alle  übergeordneten politischen Ziele) wird eine großflächige, durchgängige Naturlandschaft Lippesenke unwiderruflich zerstört werden.  Eine politische Entscheidung auf Landes- und kommunaler Ebene, die unkritischen Eingang in die lokale Planung gefunden hat.  Das Jagdrevier Lippemündung in seiner natürlichen Vielfalt wird dann Vergangenheit sein.

 

Vermeintliche Sachzwänge (`Gewerbe braucht Platz, flächenintensive Logistik als `Zukunftsbranche`), die vor der nächsten Generation der Bürger in Wesel nicht bestehen werden. Davon bin ich überzeugt. Der vergleichende Blick auf den Orsoyer Rheinbogen sollte uns zu denken geben. Auch dort waren es die `Sachzwänge` der Wachstumseuphorie der 60er Jahre, die zur sehr konkreten Planung einer petrochemischen Großanlage führten. Sie ist nie umgesetzt worden, heute klingt das damalige Projekt `VEBA-Großchemie Orsoyer Rheinbogen`  wie ein schlechtes Märchen aus ferner Vergangenheit.

 

Reinhard Bassier, Rheinberg-Orsoy

 

>> Brief an die NRZ zum Thema