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Ein Leserbrief an die lokale Presse, der leider nie abgedruckt wurde   /   November 2019

 

 

Von: Reinhard Bassier (Romberg)
Gesendet: Donnerstag, 7. November 2019 20:03
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Betreff: WG: Lippemündung. Ein Naturparadies wird bedroht

 

 

Sehr geehrte Frau Herzog,

 

der Lippemündungsraum ist in den letzten 10 Jahren umfassend neu gestaltet, die Lippe ist dort  renaturiert worden.  Mit erheblichen öffentlichen Geldern. Hier ist ein Naturschutzgebiet von überregionaler Bedeutung entstanden. Mit einer abwechslungsreichen Vogelwelt, mit einer sehr positiven Entwicklung der flußnahen Auenvegetation. Von der Lippebrücke B8 oder dem umlaufenden Radweg gut erlebbar. Für Wesel ein wertvolles Asset, vergleichbar der Bislicher Insel im benachbarten Xanten.  

 

Dieses Idyll vor der Haustür ist durch die aktuelle Planungen leider vielfach bedroht.

 

-          Bei der Südumgehung Wesel (in der Sache sicherlich sinnvoll) ist nach jetziger Planung kein Lärmschutz gegen das unmittelbar angrenzende Naturschutzgebiet vorgesehen (oder schlicht vergessen ?) worden. Zusammen mit dem starken Verkehr auf B8 und Betuve-Linie nebenan eine erhebliche Geräuschbelastung für die Zukunft in der Lippesenke.

-          Die geplante Ausweitung des Gewerbegebiets Lippehafen (gemäß dem aktuellen Entwurf Bebauungsplan 233 der Stadt Wesel) sieht eine großflächige intensive Versiegelung der hochwasserfrei aufgeschütteten Fläche nördlich des `Ölhafens` sowie eine Bebauung mit Logistikbauten bis fast an den neuen Radweg. Höhenbegrenzung 20 m (im Nahbereich des Ölhafens auch deutlich höher) vor. Bei weitgehend freier Farbwahl der Gebäude! Das lässt sich dann auch nicht mehr durch einen schmalen Baumstreifen neben dem Radweg optisch kaschieren, im Winter schon gar nicht.  Eine `blaue Kiste` als trauriges lokales `Wahrzeichen` sollte eigentlich genug sein.

-          Eine deutliche Ausweitung des Gewerbegebiets in das bestehende Naturschutzgebiet hinein ist geplant (Radwege könnte man dann ja verlegen, Gehölze offenbar auch ?). Perspektivisch auch großflächig in die angrenzende, ökologisch hochwertige Senke südlich der neuen Zugangsstraße von der Emmelsumer Straße. Braucht Logistik wirklich so viel Platz in dieser sensiblen Naturnachbarschaft? Sollten der Zugang zu EU-Fördergeldern oder die Pauschalforderung `neue Arbeitsplätze` dabei überzeugende Argumente sein?

-          Logistik im 24 Stunden-Betrieb braucht künstliche Beleuchtung rund um die Uhr. Benachbarter Naturschutz unter Dauerbeleuchtung? Die Tierwelt in der Lippeaue wird sicherlich nicht vorab gefragt werden.

-          Und weite Teile der Lippesenke selbst sind inzwischen Flächen für eine Intensivnutzung durch Schafe rund um das Jahr geworden. Trotz NSG-Status. Auch wenn große Schafherden als `niedlich/friedlich` wahrgenommen werden – Bodenbrüter wie der inzwischen seltene Kiebitz haben dort keine Chance mehr. Warum nicht eine stärkere extensive Beweidung mit Galloways oder anderen exotischen Rinderrassen. Für den Besucher auf dem Radweg nebenan auch ein spannendes optisches Erlebnis.

 

Der Entwurf des neuen Bebauungsplans 233 für das Gewerbegebiet Deltaport/Lippemündung liegt den Gremien der Stadt  Wesel zur Entscheidung vor, der erste Spatenstich für die Südumgehung Wesel ist erfolgt. Aber es ist noch nicht  spät, diese Massnahmen so zu gestalten, dass ein gerade geschaffenes Naturschutzgebiet Lippemündung dabei nicht faktisch irreversibel beschädigt wird. Kleinteilige regionale Ausgleichsmassnahmen, wie in den Genehmigungsunterlagen vorgesehen,  sind dafür kein wirklicher Ersatz. Sorry. Die lokale Bürgerinitiative für eine Verkehrsberuhigung rings um Lippedorf, Nabu Wesel usw. mit ihren guten Anregungen sollten deshalb ernst genommen werden.

 

Viele historische Pläne (bis in die frühe Nachkriegszeit) dokumentieren die Vision von einem Lippemündungsraum als großer gewerblich-industrieller Zone mit direktem Rheinzugang* (für den Orsoyer Rheinbogen gab es vor 50 Jahren ähnliche Planungen). Diese Vision liegt zum Glück hinter uns. Eine von weitgehend  versiegelten Gewerbeflächen und von großen Verkehrsträgern optisch, akustisch und lichttechnisch komplett eingeengte `natürliche` Lippe auf ihren letzten Kilometern vor dem Rhein wäre perspektivisch eine denkbar schlechte, faktische Alternative. Für Wesel und unsere Region.

 

Freundliche Grüße

Reinhard Bassier

 

*Dazu z.B. der Flächennutzungsplan 1953 der Stadt Wesel. Aus dem Begleitbuch (Abbildung 7, Seite 16) von Heike Kemper zur aktuellen Ausstellung `Wunder aus Trümmern` des Stadtarchivs Wesel.

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Dr.-Ing. Reinhard Bassier

Schlesierweg 14

47495 Rheinberg

Lippemündungsraum, Naturschutz, Aktuelles