aus dem "Lancet Countdown Policy Brief für Deutschland"
Umsetzung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der Gesundheit
Aktuelle Analysen und Berichte zeigen, dass die Gesundheitsgefährdung durch Hitze in Deutschland weiter zugenommen hat.(6,7) Die Prognosen gehen von einer Zunahme von Hitzewellen bzw. sehr heißen Tagen(8) bei gleichzeitig zunehmender Zahl der vulnerablen Bevölkerungsgruppen aus. Dabei spielen die zunehmend ältere Bevölkerung und die Verstädterung eine zentrale Rolle. (6,7)
Die Sensibilisierung für die Notwendigkeit von konsequentem Hitzeschutz hat bei Entscheidungsträger*innen und in der Bevölkerung auch als Folge der Empfehlungen des Lancet Policy Brief für Deutschland 2019(5) zugenommen. Die bundesweiten Handlungsempfehlungen von 2017(9) sowie die aktuelle Evidenz für wirksame Hitzeprävention(10) ist weitgehend bekannt. Es gibt mehr Informations- und Bildungsangebote und eine konkrete Anleitung zur Entwicklung und Implementierung eines gesundheitsbezogenen Hitzeaktionsplans für Städte und Kommunen. (11) Die Auswertung der Interviews, sowie frühere Analysen(12–14) zeigen drei Schlüsseldimensionen, die in der Validierungsrunde mit weiteren Experten auf dem Gebiet der Hitzeprävention im September 2021 bestätigt wurden.
Demnach beruht wirksamer Hitzeschutz auf:(15)
1. der Voraussetzung, dass die zuständigen Behörden und eingebundenen Akteure die Bedeutung von hitzebezogenem Gesundheitsschutz verstehen und die damit verbundenen Aufgaben verbindlich als ihre Pflicht anerkennen;
2. der Entwicklung, Planung und Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen in Sektor-übergreifenden Teams;
3. zwei parallelen Säulen, die sich auf verschiedene Akteuren stützen, nämlich
i) die Vorbereitung für und der Schutz während einer akuten Hitzesituation, z.B. durch die Bereitstellung von Hinweisen für gefährdete Gruppen wie Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder, Menschen über 65 Jahre und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen; sowie
ii) die Stärkung der mittel- und langfristigen Hitzeresilienz in Kommunen und Institutionen.
Den Einschätzungen der Expert*innen zufolge haben nur wenige Kommunen umfassende und integrierte Hitzeaktionspläne umgesetzt – das zeigen auch neuere bundesweite Umfragen.(12,13,15) Dabei ist es in den meisten Fällen nicht gelungen, Akteure aus dem Gesundheitssektor, wie Ärzteschaft und Pflege, Rettungsdienste und Kliniken, in die Entwicklung der Pläne umfassend einzubinden.
Das aber schränkt die Wirksamkeit im Krisenfall deutlich ein. Es gibt keine Handlungsszenarien für außergewöhnlich extreme und komplexe Situationen, wie sie im Sommer 2021 in Südeuropa und Kanada aufgetreten sind. Dennoch drohen diese in den nächsten Jahren auch in Deutschland. Die Bundesrepublik ist für den Katastrophenfall durch mögliche große Hitzewellen daher nicht gerüstet. Auch der Aufbau einer langfristigen Hitzeresilienz in Städten, Kommunen und Gesundheitseinrichtungen startet viel zu langsam.
Für die kommenden ein bis zwei Jahre ergibt sich daraus dringender Handlungsbedarf:
• Eine gesetzliche Verankerung von gesundheitsbezogenem Hitzeschutz ist Voraussetzung, um Hitzeaktionspläne als Aufgabe auf Landes- und kommunaler Ebene zu priorisieren und entsprechende Ausstattung zu gewährleisten.
• Insbesondere braucht es eine Klärung der Zuständigkeit für gesundheitsbezogenen Hitzeschutz in Landesgesetzen (analog zum Brand- und Hochwasserschutz), um eine klare Entscheidungsstruktur und Koordination sicherzustellen. Die Schlüsselrolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und die Verantwortung des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes bei Hitzewellen sind klar zu benennen.
• Parallel dazu ist es dringend notwendig, gesundheitsbezogenen Hitzeschutz in Bau- sowie in Arbeitsschutzgesetzen entsprechend zu berücksichtigen.
• Hitzeaktionspläne sollten Handlungsszenarien für außergewöhnlich extreme und komplexe Situationen beinhalten.
• Zur Überwachung und Registrierung von hitzebedingter Sterblichkeit und Krankheitslast auf Landes- und kommunaler Ebene ist es notwendig, entsprechende Strukturen bereitzustellen und zu stärken.
Die Bereitstellung von Daten ist wesentlich für die Entwicklung von Indikatoren, die Gesundheitseffekte durch Hitze messen. Eine Übereinstimmung der Indikatoren für Deutschland mit entsprechenden nationalen, europäischen und globalen Indikatoren, wie denen des Lancet Countdown on Health and Climate Change(16) würde die Vergleichbarkeit der Gesundheitseffekte und derenEntwicklung vereinfachen.
Literatur/Quellen
1. Traidl-Hoffmann C et al. Planetary Health - Klima, Umwelt und Gesundheit im Anthropozän, 1.Auflage. (Traidl-Hoffmann C et al., eds.). Berlin, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2021.
2. Watts N et al. The 2020 report of The Lancet Countdown on health and climate change: responding to converging crises. The Lancet, 2021, 397(10269):129–170.
3. UNDRR. Sendai framework for disaster risk reduction 2015-2030, 2015:32. (https://www.unisdr.org/files/43291_sendaiframeworkfordrren.pdf).
4. WHO. WHO manifesto for a healthy recovery from COVID-19: Prescriptions and Actionables for a Healthy and Green Recovery. World Health Organization, 2020:1–5. (https://cdn.who.int/media/docs/default-source/climate-change/who-manifesto-for-a-healthy-and-green-post-covid-recov-ery_4d85f26a-73db-46b7-a2a5-9854ca6faa64.pdf?sfvrsn=f32ecfa7_8).
5. Matthies-Wiesler F et al. The Lancet Countdown for Health and Climate Change - Policy Brief for Germany 2019, 2019:8. (https://www.lancetcountdown.org/resources/).
6. BKK Landesverband Nordwest. Gehäufte Wetterextreme führen zu zunehmenden Gesundheitsschäden - Analyse Klimasensitiver Erkrankungen im Zeitraum 2010 – 2019., 2021.
7. Günster C et al. Versorgungs-Report: Klima und Gesundheit. Berlin, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2021.
8. Deutscher Wetterdienst. Klimastatusbericht Deutschland - Jahr 2020. Offenbach am Main, Deutscher Wetterdienst, 2021 (https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimastatusbericht/publikationen/ksb_2020.html).
9. Bundesministerium für Umwelt Naturschutz Bau und Reaktorsicherheit (BMU). Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit, 2017:30. (https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/hap_hand-lungsempfehlungen_bf.pdf).
10. WHO Regional Office for Europe. Heat and health in the WHO European Region: updated evidence for effective prevention (Sanchez Martinez G, De’Donato F, Kendrovski V, eds.), Kopenhagen, 2021 (https://www.euro.who.int/en/health-topics/environment-and-health/Climate-change/publications/2021/heat-and-health-in-the-who-european-region-updated-evidence-for-effective-prevention-2021).
11. Blättner B et al. Arbeitshilfe zur Entwicklung und Implementierung eines Hitzeaktionsplans für Städte und Kommunen, 2021:44. (https://www.hs-fulda.de/fileadmin/user_upload/FB_Pflege_ und_Gesundheit/Forschung___Entwicklung /Arbeitshilfe_Hitzeaktionsplaene_in_Kommunen_2021.pdf).
12. Kaiser T et al. Klimawandel, Hitze und Gesundheit: Stand der gesundheitlichen Hitzevorsorge in Deutschland und Unterstützungsbedarf der Bundesländer und Kommunen Climate change, heat and health: Status of heat prevention in Germany and need for support of federal states, UMID: Umwelt und Mensch – Informationsdienst, 2021, 1:27–37. (https://www.adelphi.de/en/publication/klimawandel-hitze-und-gesundheit).
13. Blättner B et al. Gesundheitsschutz bei Hitzeextremen in Deutschland: Was wird in Ländern und Kommunen bisher unternommen? [Health protection against heat extremes in Germany: What has been done in federal states and municipalities?]. Bundesgesundheitsblatt, 2020, 63:1013–1019. (https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00103-020-03189-6).
14. Blättner B, Janson D, Grewe HA. Hitzeaktionspläne in den Parlamenten der Bundesländer Politische Diskurse über Gesundheitsschutz und Klimawandel [Heat-health action plans in the parliaments of the German federal states. Political discourses on health protection and climate change]. Präv Gesundheitsförderung, 2020, 15:296–302. (https://link.springer.com/article/10.1007% 2Fs11553-020-00772-2).
15. Herrmann M, Wickham J, Matthies-Wiesler F. Gesundheitsbezogene Hitzeschutzpläne in Deutschland: Wie können die Hürden überwunden werden, um eine flächendeckende und systematische Umsetzung voranzutreiben. (In Erarbeitung)
Dt. Ärzteblatt 09 2022 Klimawandel hat Auswirkungen auf Kindersterblichkeit:
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/137255/Klimawandel-hat-Auswirkungen-auf-Kindersterblichkeit
München/Düsseldorf – Der Klimawandel habe immense Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern. Davon berichtete Veronika Huber von der Ludwig-Maximilians-Universität München auf dem Kongress für Kinder und Jugendmedizin in Düsseldorf.
20 bis 30 Prozent der hitzebedingten Todesfälle in Deutschland seien auf den menschengemachten Klimawandel zurückführen, sagte Huber und nahm damit Bezug auf bisher noch unveröffentlichte Daten ihrer eigenen Forschungsarbeit.
Insbesondere bei Kleinkindern steige das temperaturbedingte Sterberisiko stark an. Dies zeigt sich beispielsweise in landesweiten Daten aus Südafrika. In einer Studie in Environmental Research (2018; DOI: 10.1016/j.envres.2017.11.001) haben Forschende die Auswirkungen von Hitze und Kälte auf die Mortalität untersucht.
Demnach haben neben älteren Menschen Kinder unter fünf Jahren das höchste Risiko an den Auswirkungen von Hitze- oder Kälte zu sterben. So war das relative Risiko von Kindern bei den heißesten Tagen um 24 Prozent erhöht im Vergleich zu den Tagen mit der geringsten Sterblichkeit.
Oktober 2022 Forschung & Lehre : "Lancet Countdown 2022" - Experten warnen vor Klimawandel-Folgen für Gesundheit:
Die Erderwärmung hat bereits drastische Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. 99 Fachleute haben das genauer analysiert. https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/experten-warnen-vor-klimawandel-folgen-fuer-gesundheit-5123
>> The 2022 Global Report of the Lancet Countdown https://www.lancetcountdown.org/2022-report/
The health of people around the world is at the mercy of a persistent fossil fuel addiction.
People around the world are increasingly feeling the impact of climate change on their health and wellbeing and these compounding crises are amplifying those harms. Yet governments and companies in both high- and low-income countries continue to prioritise fossil fuel interests.
This year’s report launches as countries and health systems grapple with the health, social and economic implications of climate change, which now compound the impacts of the the global energy crisis, and the ongoing COVID-19 pandemic.
NASA - wo brennt es auf der Welt? FIRMS Fire Information for Resource Management System https://firms2.modaps.eosdis.nasa.gov/map/ | https://firms2.modaps.eosdis.nasa.gov/
BMEL Waldbrandstatistik Deutschland https://www.bmel-statistik.de/forst-holz/waldbrandstatistik
Copernicus - Climate Change Service - https://climate.copernicus.eu/
EarthCARE - Earth Online - https://earth.esa.int/eogateway/missions/earthcare