Skip to main content

Seite 2 von 3: Auszüge aus dem Bericht zur Lage der Naturschutz den Lippemündungsraum betreffend

 

Auszüge aus dem Bericht zur Lage der Naturschutz den Lippemündungsraum betreffend:

 

S.19: " Naturschutz hat Erfolge

Trotz ungünstiger Rahmenbedingungen (s. dazu die unter 3.2 angeführten Treiber), die sich in der negativen Entwicklung des Zustands vieler Lebensräume und Arten des Offenlands zeigen (siehe Abschnitt 1), können und konnten bisher durch konsequentes (Naturschutz-)Handeln lokal und regional viele Erfolge erzielt werden.

Beispielsweise wurden vielerorts Maßnahmen zur Renaturierung und Durchgängigkeit von Fließgewässern durchgeführt. Diese führen zwar auf biogeografischer, also auf großräumiger Ebene noch nicht zu einem günstigen Erhaltungszustand der Lebensraumtypen, auf lokaler oder regionaler Ebene zeigen sich aber beachtliche Erfolge: So verfolgt beispielsweise das länderübergreifende Naturschutzgroßprojekt „Untere Havelniederung“, das seit 2005 in Brandenburg und Sachsen-Anhalt im Förderprogramm „chance.natur Bundesförderung Naturschutz“ gefördert wird, das Ziel, die Havel und ihre Auen auf einer Fließstrecke von etwa 96 Kilometern wieder naturnah zu entwickeln. Die Maßnahmen des Projektes dienen zugleich der Verwirklichung von Schutz-, Erhaltungs- und Entwicklungszielen der betroffenen Natura 2000-Gebiete, sodass der Pflege- und Entwicklungsplan des Projektes von den beteiligten Ländern als (Teil)Managementplan zur Verwaltung von Natura 2000-Gebieten anerkannt wurde. Auch an anderen Fließgewässern wie z.B. der Lippe (Nordrhein-Westfalen), der Ahr

(Nordrhein-Westfalen / Rheinland-Pfalz) oder (vor)alpinen Fließgewässern (Bayern) konnte bereits eine Vielzahl von Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt und über längere Strecken wieder naturnahe Gewässerstrukturen entwickelt werden. Bei zwei Lebensraumtypen der alpinen Flüsse begründen die Maßnahmen einen sich verbessernden Trend (vgl. Steckbrief 1 LRT 3220). Fortschritte bei der

Renaturierung haben zum Beispiel auch positive Folgen für an Fließgewässern lebende, gefährdete Insektenarten, bestimmte Fischarten wie den Lachs, Vögel wie den Eisvogel oder andere Arten."

 

 

S. 21 " Treiber für Veränderungen

Betrachtet man die Gründe für die oben beschriebenen insgesamt eher negativen Entwicklungen für den Schutz der Biodiversität in Deutschland, so stellt sich die Frage nach den maßgeblichen Ursachen. Die wichtigsten Beeinträchtigungen der gefährdeten Lebensräume und Arten sind nach der Analyse der Berichte:

 

> hohe Nährstoffeinträge durch landwirtschaftliche Düngung und aus der Luft (atmosphärischer Stickstoffeintrag) sowie Gewässerverschmutzung aus Landwirtschaft, Verkehr, Energieerzeugung, Industrie, Gewerbe und Haushalten,

> Nutzungsänderungen landwirtschaftlicher Flächen und in Wäldern, einschließlich der Aufgabe traditioneller Nutzungsformen wie z.B. Beweidung von Magerrasen oder Nieder- und Mittelwaldwirtschaft,

> Erhöhung der Nutzungsintensität, etwa durch Erhöhung der Mahdhäufigkeit beim Grünland,

>Entwässerung land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen sowie Grundwasserentnahme für unterschiedliche Zwecke,

> Veränderung der Hydrologie und Morphologie von Gewässern,

>Einsatz von Pestiziden, vorwiegend in der Landwirtschaft, aber partiell auch in der Forstwirtschaft,

> land- und forstwirtschaftliche Nutzungen bzw. Nutzungsänderungen, die zum Verlust von Kleinstrukturen in der Landschaft oder Alt- und Totholz bzw. Altbaumbeständen führen,

>Veränderung der Artenzusammensetzung durch ungelenkte Sukzession, oft im Zusammenhang mit Nutzungsaufgabe unrentabler Flächen,

> Flächenverluste und Zerschneidung (Fragmentierung) durch Ausbau von Verkehrsinfrastruktur, Siedlungs- und Gewerbegebieten,

> Ausbreitung von invasiven Arten,

> Sport, Tourismus und Freizeitaktivitäten einschließlich Unterhaltung notwendiger Infrastruktur,

>Ausbau erneuerbarer Energien wie Biogasanlagen (verbunden mit zunehmendem Anbau von Mais und Raps), Windkraftanlagen und Wasserkraftanlagen,

>mangelnde Pflege (insbesondere nicht mehr wirtschaftlich nutzbarer) der Lebensraumtypen

sowie der Lebensräume von europäischen Vogelarten und Arten von gemeinschaftlichem Interesse; fehlendes oder unzureichendes Management in den Natura 2000-Schutzgebieten.

 

...

 

Der Klimawandel wird in den Berichten (noch) vergleichsweise weniger häufig als Beeinträchtigung genannt, zahlreiche Studien belegen aber dessen zunehmende Bedeutung (z.B. Mason et al. 2015, Nila & Hossain 2019, Radchuk et al. 2019). Auch konnten die Auswirkungen der ausgeprägten Trockenperioden der letzten beiden Jahre noch keinen Eingang in den FFH-Bericht finden, der sich im Wesentlichen auf Erhebungen aus den Jahren 2012 bis 2017 bezieht. Eine Analyse der Gefährdungsursachen für Biotoptypen hat ergeben, dass der Klimawandel in allen Hauptgruppen als Gefährdungsursache von Biotoptypen relevant ist (Heinze et al. 2019). Die wichtigsten Faktoren sind Extremereignisse, insbesondere Trockenperioden oder Überflutungen, Temperaturerhöhung, Anstieg des Meeresspiegels und Habitatveränderungen infolge der Klimaveränderungen."

 

S. 22

" Artenschwund in Agrarlandschaften: Folgen intensiver Landwirtschaft

Die intensive Landwirtschaft führt zu einer immer stärkeren Homogenisierung der Landschaft, in der inzwischen monotone artenarme Lebensräume vorherrschen. Artenreiche Grünland-Lebensräume, wie extensiv genutzte Mähwiesen, Magerrasen und Nasswiesen, verzeichnen starke Rückgänge sowohl quantitativ hinsichtlich ihrer Fläche als auch qualitativ etwa hinsichtlich des vorhandenen Arteninventars. Mehr als 55 % aller Bewertungen von FFH-Grünland-LRT sind ungünstig-schlecht, weniger als 10 % sind in einem günstigen Zustand. Zudem weisen auch die Trends der Grünland-LRT überwiegend (zu 75 %) auf weitere Verschlechterungen hin. Auch fast zwei Drittel aller Bewertungen in Grünlandlebensräumen vorkommender FFH-Arten (n=196) weisen einen ungünstigen Erhaltungszustand auf (vgl. Steckbrief 5 Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling). Auch durch die Rote Liste der Biotoptypen Deutschlands (Finck et al. 2017) wird diese Situation für alle Grünland-Lebensräume in Deutschland bestätigt: Von insgesamt 75 Grünlandbiotopen sind 83 % als gefährdet bewertet, 31 % davon sogar der Kategorie „akut von vollständiger Vernichtung bedroht“ zugeordnet. Dies betrifft nicht nur Lebensräume auf Sonderstandorten (z.B. Kalk-Magerrasen), sondern genauso Grünland auf mittleren Standorten wie die artenreichen Flachland- und Berg-Mähwiesen (siehe Steckbrief 6 LRT 6510). Die Erhöhung der Nutzungsintensität, etwa durch Erhöhung der Mahdhäufigkeit oder der Düngung bei den Mähwiesen, führt zum Beispiel zum Verschwinden des Blütenangebots für Insekten. Es hat auch Folgen für Vögel, die weniger Nahrung finden oder deren Nester durch häufigere Befahrung der Flächen zerstört werden können.

Die Entwicklung landwirtschaftlich genutzter Lebensräume spiegelt sich auch in der Roten Liste gefährdeten Gefäßpflanzenarten wider (BfN 2018). Aktuell sind demnach 1.030 Arten (28,2 %) aller Lebensräume bestandsgefährdet. Bei fast der Hälfte der gefährdeten Arten wurden Standortveränderungen durch Nährstoffeinträge als die wesentliche Ursache ermittelt (Korneck et al. 1998). Viele vom Aussterben bedrohte oder gefährdete Arten finden sich unter den typischen Arten nährstoffarmer Standorte wie der Magerrasen (sowie der Heiden und Moore, siehe unten), wie z.B. Wiesen-Kü-

chenschelle (Pulsatilla pratensis) oder Katzenpfötchen (Antennaria dioica). Neben der Nutzungsintensivierung stellt aber auch ein Brachfallen ertragsschwacher Standorte eine Gefährdung vieler Arten dar, wie z.B. des in Borstgrasrasen verbreiteten Berg-Wohlverleihs (Arnica montana, FFH-Anhang V)."

 

 

S.27

" Mehr Dynamik bei Fließgewässern, aber zugleich zunehmende Gefährdung von nährstoffarmen Stillgewässern

Unter den Still- und Fließgewässern sind insgesamt 12 FFH-Lebensraumtypen aufgeführt, deren Erhaltungszustand - außer in den Alpen - in allen Fällen unzureichend oder schlecht ist. Bei zwei Lebensraumtypen in der kontinentalen Region hat sich der Erhaltungszustand sogar gegenüber dem letzten Berichtszeitraum noch einmal verschlechtert; in zehn Fällen wurde zuletzt ein sich verschlechternder Gesamttrend ermittelt. In den Alpen werden immerhin sechs Gewässer-Lebensraumtypen

mit einem günstigen Erhaltungszustand bewertet, fünf davon sind Stillgewässer. Deren vergleichsweise guter Zustand ist hauptsächlich auf die extensivere Landwirtschaft in der alpinen Region und die damit verbundene geringere Belastung mit Nähr- und Schadstoffen zurückzuführen. Als typischer Brutvogel insbesondere naturnaher Flüsse hat der Flussuferläufer derzeit bundesweit einen geringen, aber stabilen Bestand, nachdem die Art in Deutschland im 20. Jahrhundert massive Verluste durch den Ausbau von Fließgewässern hinnehmen musste.

Bei den Fließgewässern haben intensiver Nutzungsdruck (insbes. durch Landwirtschaft, Siedlung, Verkehr) in Verbindung mit Gewässerausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen sowie Staustufenbau in der Vergangenheit zu naturfernen Gewässerstrukturen, zur stetigen Verkleinerung und Entwässerung der Auen sowie zur Erhöhung von Hochwasserabflüssen geführt. In der Schweiz wird für den Flussuferläufer die Erholungsnutzung als wichtigste Beeinträchtigung genannt (Knaus et al. 2018), auch in

Deutschland spielt sie eine bedeutende Rolle. Nach dem aktuellen Auenzustandsbericht (BMU/BfN 2009) sind an den großen Flüssen Deutschlands rund zwei Drittel der Überschwemmungsflächen verloren gegangen.

Die Fließgewässer und ihre Auen haben als natürliche lineare Verbundelemente ein großes Potenzial für einen großräumigen Biotopverbund. Maßnahmen zur Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen - z. B. Deichrückverlegungen, Reaktivierung von Altarmen und ehemaliger Flussmäander - haben eine große Bedeutung für die Hochwasservorsorge und tragen damit auch dazu bei, die Ziele des

2014 beschlossenen Nationalen Hochwasserschutzprogramms zu erfüllen. Die morphologische und die ökologische Durchgängigkeit der Fließgewässer spielt besonders für wandernde Arten eine entscheidende Rolle, die mitunter sehr weite Strecken zurücklegen, wie z. B. der Lachs (Salmo salar), der durch Wiederansiedlungsprojekte und Wiederherstellung seines Lebensraumes langsam in unsere Flüsse zurückkehrt.

Die Etablierung eines funktionalen Biotopverbunds stellt auch eine wichtige Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel dar. Die Erhaltung, Verbesserung und Schaffung von Wanderungs- und Ausbreitungskorridoren können die Arealverschiebungen von Populationen heimischer Arten unterstützen,die in Folge sich verändernder regionaler klimatischen Bedingungen zwingend erforderlich werden.

Außerdem trägt der Biotopverbund auch dazu bei, eine klimabedingte Isolation von Populationen heimischer Arten zu kompensieren. Auch für die Anpassung an lokale Lebensraumverluste oder Veränderung der Lebensraumbedingungen kann der Biotopverbund eine wichtige Strategie darstellen.

Arten, die durch den Klimawandel ihre angestammten Lebensräume verlieren, kann durch die erhöhte „Durchlässigkeit“ der Landschaft so das Erreichen zukünftig geeigneter Lebensräume ermöglicht werden (Reich 2012). Die Funktion des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 wird durch den Biotopverbund unterstützt, indem der Verinselung bzw. Isolation wertvoller Lebensräume und gefährdeter Arten in Schutzgebieten begegnet wird, die zu einem erhöhten Aussterberisiko vieler Arten beiträgt."

 

...

S.28

"Die Renaturierung von Fließgewässern und ihren Auen muss konsequent weiter fortgesetzt werden.

Mit dem Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ soll bis zum Jahr 2050 entlang der Bundeswasserstraßen und in ihren Auen ein Biotopverbund von nationaler Bedeutung aufgebaut werden. Ergänzend sind entsprechende Maßnahmen an kleineren Gewässern vorzusehen. Hierzu müssen die heute zumeist isolierten entweder noch vorhandenen naturnahen oder bereits wieder renaturierten Bereiche ausgedehnt und miteinander vernetzt werden sowie eine weitgehend eigendynamische Entwicklung von Fließgewässern und Ufern gewährleistet werden.

Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Fließgewässer durch Rückbau von Wehranlagen und Neubau bzw. Ertüchtigung von Umgehungsgerinnen bei Wasserkraftanlagen ist eine entscheidendeVoraussetzung für Wiederansiedlungsprojekte wandernder Arten (z.B. Lachs), aber auch für die Vernetzung lokaler Populationen mehr oder weniger stationärer Fließgewässerarten.

Prioritär notwendige Maßnahmen zum Schutz der Stillgewässer-Lebensräume sind neben der Sicherung des natürlichen Wasserhaushalts die Einrichtung von weiträumigen Pufferzonen um die Gewässer, um den Nähr- und Schadstoffeintrag zu minimieren."

 

S.29-30

" Die Gründe für den schlechten Zustand der Auwälder, der Moorwälder und der Kiefernwälder sind vielfältig. Während bei den Moor- und Auwäldern in erster Linie Veränderungen der hydrologischen Verhältnisse und Entwässerung die Hauptbeeinträchtigungen darstellen, sind bei den Kiefernwäldern Veränderungen der Artzusammensetzung durch die ungelenkte Sukzession auf Sekundärstandorten

bzw. mangelnde aktive Pflegemaßnahmen wie auch der Eintrag von Luftschadstoffen und -nährstoffen maßgeblich.

...

Für eine Verbesserung der Erhaltungszustände in den verschiedenen Waldlebensräumen müssen die Anstrengungen zum ökologischen Waldumbau, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, erheblich intensiviert werden (BfN 2019b). Die Waldwirtschaft sollte stärker an ökosystemaren Gesichtspunkten ausgerichtet werden, z.B. indem der Wasserhaushalt und Wasserrückhalt verbessert wird, Waldböden besser geschützt werden, Wälder und Bäume älter werden können und Totholzanteile erhöht werden. Dabei sollte auf die Standortsvariabilität der heimischen Baumarten gesetzt werden. Auf die Einbringung gebietsfremder Baumarten ist insbesondere in Naturschutzgebieten und FFH-Gebieten generell zu verzichten (BfN 2019b), gleiches gilt für Flächen der Wald-LRT außerhalb dieser Gebiete.

Um die Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren, muss es Ziel der Waldbewirtschaftung sein, die Anpassungsfähigkeit und Resilienz der Wälder zu verbessern. Flächen mit ungelenkter Waldentwicklung tragen zu einer Verbesserung der Erhaltungszustände z.B. der Buchenwälder bei, indem sich insbesondere die Alt- und Totholzphasen mit ihrer biologischen Vielfalt entwickeln können (Ackermann et al. 2016). Der Anteil dieser Flächen sollte entsprechend den Zielen der Nationalen

Strategie zur biologischen Vielfalt bis 2020 5 % betragen (BMUB 2007). Er liegt derzeit bei 2,8 % (Stand 2019) und muss sich weiter erhöhen. Durch Nutzung der Standortvariablität heimischer Baumarten und Erhöhung der Flächen mit ungelenkter Waldentwicklung sollten zudem gerade Waldlebensräume in Schutzgebieten zu Modellräumen zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt werden.

Historische Wald-Nutzungsformen wie Nieder- und Mittelwälder sollten auf ausreichend großen Flächen fortgeführt werden, um die daran gebundenen Arten zu erhalten. Wald-Lebensräume auf Sekundärstandorten sollten zugunsten der vorkommenden Baumarten gepflegt werden. Dies betrifft vor allem die Eichenwälder aber auch kleinflächig vorkommende Kiefernwälder wie z.B. die FlechtenKiefernwälder. Die Bewirtschaftung der Wälder sollte im Hinblick auf die Erhaltung und Entwicklung eines günstigen Zustands erfolgen und an den jeweiligen LRT angepasst sein (Ackermann et al. 2016)."

 

 

S.31-34

" Zusammenfassung und Ausblick

Die Ergebnisse der nationalen Berichte zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie der EU verdeutlichen den kritischen Zustand wesentlicher Teile der Biodiversität in Deutschland:

 

> 63 % der FFH-Arten und 69 % der FFH-Lebensraumtypen weisen einen ungünstig-unzureichenden oder -schlechten Erhaltungszustand auf, darunter insbesondere Lebensraumtypen und assoziierte Arten des Grünlands, der Binnengewässer, der Feuchtgebiete und der Meere und Küsten.

> Etwa ein Drittel der Brutvogelarten sind in den letzten 12 Jahren in ihrem Bestand zurückgegangen, wobei insbesondere Arten des landwirtschaftlich genutzten Offenlandes betroffen sind.

 

Wesentliche Ursachen dieser Entwicklung sind insbesondere hohe Nährstoff- und Pestizideinträge, die Intensivierung oder Aufgabe der Flächennutzung, einschließlich der Aufgabe traditioneller Landnutzungsformen, die Veränderung der Hydrologie und Morphologie von Gewässern, Entwässerung und Grundwasserentnahme, Flächenverluste und Zerschneidung durch Ausbau von Infrastruktur, Siedlungs- und Gewerbegebieten, aber partiell auch Sport, Tourismus und Freizeitaktivitäten.

 

Bedeutung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 und Handlungsfelder

Das Schutzgebietsnetz Natura 2000 und die strengen Regelungen des europäischen Artenschutzes haben für den Schutz der Biodiversität in Deutschland eine kaum zu unterschätzende Bedeutung.

Dies hat auch der von der EU durchgeführte und im Jahr 2016 abgeschlossene „Fitness Check“ gezeigt: die Richtlinien sind geeignet, die in ihnen formulierten Ziele zu erreichen, bedürfen allerdings einer konsequenteren Umsetzung (European Commission 2016). Die insgesamt rund 5.200 FFH- und Vogelschutzgebiete nehmen zusammen 15,5 % der terrestrischen und rund 45 % der marinen Fläche Deutschlands ein. Eine aktuelle Studie zur Wirksamkeit des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 zeigt,

dass in den Gebieten auch zahlreiche andere gefährdete Biotoptypen und Arten, die nicht in den Anhängen von FFH- und Vogelschutzrichtlinie aufgeführt sind, viel häufiger vorkommen als außerhalb (Ackermann & Runge 2020). Sie können von Schutzmaßnahmen in den Gebieten zum großen Teil ebenfalls profitieren (sogenannter „Umbrella-Effekt“). Einige Arten benötigen aber auch spezifische Schutzmaßnahmen, deren Durchführung innerhalb bestehender Schutzgebiete meist leichter umsetzbar sind als außerhalb.

Für einen effektiven Schutz der Gebiete ist es jedoch erforderlich, das Management der Gebiete wesentlich zu verbessern. Dies erfordert die Erstellung von geeigneten Managementplänen ebenso wie die Umsetzung der darin festgelegten Maßnahmen. Dies bedeutet zum einen flächendeckend geeignete Strukturen zu schaffen (z.B. Natura 2000-Stationen oder Landschaftspflegeverbände), die eine professionelle Betreuung der Gebiete und die Umsetzung von Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sicherstellen. Sie stellen außerdem wichtige Ansprechstellen für Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter und Eigentümerinnen und Eigentümer in den Schutzgebieten dar. Analysen der für die Umsetzung von Schutz- und Pflegemaßnahmen in Natura 2000-Gebieten sowie weiteren darüber hinaus für die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen zu Verfügung stehenden EU-Fonds, insbesondere des ELER (Freese 2017, Horlitz et al. 2018), belegen eine eklatante Unterfinanzierung. Demgegenüber muss eine ausreichende Finanzierung für das Schutzgebietsnetz Natura 2000 sichergestellt werden, damit es nicht nur seine ökologischen und gesellschaftlichen Wirkungen entfalten kann, sondern auch die europäischen Vorgaben zu einem günstigen Erhaltungszustand seiner Schutzgüter erreicht werden.

Für viele Arten, insbesondere des Anhang IV FFH-Richtlinie und einige der gefährdeten Vogelarten, deren Verbreitungsschwerpunkte sich außerhalb der Natura 2000-Gebiete befinden, sind vor allem Maßnahmen zum Schutz und zur Verbesserung ihrer Habitate außerhalb der Schutzgebiete erforderlich. Dafür sind z.B. in ausreichendem Maße Landschaftsstrukturen wie z.B. Kleingewässer, Hecken, Raine zu erhalten und neu zu schaffen oder Grünland extensiv zu bewirtschaften oder Brachflächen in Ackerflächen bereit zu stellen. Um diese Arten in einen günstigen Zustand zu bringen werden über gezielte Artenhilfsprogramme hinaus auch breit auf landschaftlicher Ebene ansetzende Maßnahmen benötigt (BfN 2015: Artenschutzreport).

Eine Schlüsselstellung nimmt daher die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ein: Für einen angemessenen Schutz der Arten und Lebensraumtypen innerhalb wie auch außerhalb von Schutzgebieten sind die Bereitstellung ausreichender Finanzmittel sowie die erforderlich Co-Finanzierung entsprechender Maßnahmen und Programme auf Landesebene essentiell. Dafür ist eine grundlegende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der nächsten Förderperiode Voraussetzung, außerdem müssen die hier auf nationaler Ebene bestehenden Spielräume besser ausgeschöpft werden. Die Förderung

in der GAP ebenso wie nationale Subventionen müssen konsequent dem Ziel folgen, alle Subventionen (z.B. Steuerermäßigungen) und Zahlungen nach dem Grundsatz „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ auszurichten (BfN 2017a, BfN 2019a). Dabei sind insbesondere Maßnahmen stärker zu fördern, die nachweislich eine hohe Wirksamkeit hinsichtlich der gewünschten Leistungen für die biologische Vielfalt aufweisen (sogenannte „dunkelgrüne“ Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen),

wozu ausreichend große mehrjährige Brachflächen, extensiv genutzte Äcker, Blühflächen, extensiv genutztes Grünland und Pufferstreifen gehören. Dabei sollten auch Anreizsysteme geschaffen werden, um die Akzeptanz von entsprechenden Maßnahmen bei den Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern zu verbessern (LANA 2016).

Die Ergebnisse der Berichte zeigen, dass darüber hinaus auch auf nationaler Ebene eine klare Neuausrichtung der Agrarpolitik überfällig ist. Wichtige Maßnahmen für eine umweltfreundlichere Landwirtschaft sind u.a. eine erhebliche Reduzierung der Nährstoffeinträge und die Reduzierung der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln (insbesondere in Schutzgebieten), die Flächenausweitung des Ökolandbaus sowie die Rücknahme von Entwässerungen insbesondere auf Moorbodenstandorten. Wichtige Maßnahmen dazu sind die konsequente Anwendung der neuen Düngeverordnung der

Bundesregierun oder das von der Bundesregierung beschlossene Aktionsprogramm Insektenschutz (BMU 2019).

Aber auch für die künftige Waldbewirtschaftung werden aktuell wichtige Weichen gestellt. Angesichts der durch Trockenheit und Waldbrände in den letzten zwei Jahren entstandenen Waldschäden ist der ökologische Waldumbau weiter voranzutreiben. Statt eines massenhaften Anbaus gebietsfremder Baumarten, sollte dabei auf die Standortvariabilität der heimischen Baumarten gesetzt werden (BfN 2019b). Zur Verbesserung der biologischen Vielfalt in Wäldern sollte zudem der Anteil von Flächen mit ungelenkter Waldentwicklung entsprechend den Zielen der Nationalen Strategie zur

biologischen Vielfalt (BMUB 2007) weiter erhöht werden. Das Schutzgebietssystem Natura 2000 kann mit den darin enthaltenen Waldlebensräumen so wichtige Beiträge zur notwendigen Anpassung an den Klimawandel leisten.

Auch über die Schutzgebiete hinaus sind über extensiv genutzte Verbundachsen die Etablierung eines funktionalen Biotopverbundsystems u.a. durch den umfassenden und gezielten Einsatz von Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen, die Aufwertung der Kultur-Landschaften durch die Schaffung von naturnahen Strukturen und die Entwicklung möglichst durchgehender Auenlebensräumen an Flüssen und Bächen erforderlich. Der Biotopverbund ist auch eine zentrale Anpassungsstrategie in Zeiten des Klimawandels. Er ermöglicht es den betroffenen Arten und Populationen auf veränderte regionale klimatische Bedingungen mit Wanderungsbewegungen und Ausbreitungsprozesse zu reagieren und so ihre Populationen zu stabilisieren.

Die Rücknahme bestehender Entwässerungen, insbesondere auf Moorstandorten unterstützt gleichzeitig die im Klimawandel so wichtige Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts. Auch Wasserstandsanhebungen und die Verbesserung des Wasserrückhalts in der Landschaft, etwa durch funktionsfähige und gut durchfeuchtete Auenböden dienen zur Sicherung empfindlicher Lebensräume und gleichzeitig dem Klimaschutz (u.a. durch Abfederung von Trockenperioden).

Beim sowohl für den Klima- wie auch den Biodiversitätsschutz wichtigen Ausbau Erneuerbarer Energien müssen Schutzgebiete und Schutzgüter der Naturschutzrichtlinien beachtet werden. Beim Rotmilan beispielsweise ist zwar der bundesweite Bestand über die letzten Jahre weitgehend stabil geblieben, jedoch zeichnet sich ab, dass der Ausbau der Windenergie regionale Bestandsrückgänge hervorgerufen hat (Katzenberger & Sudfeldt 2019). Eine naturverträgliche Energiewende ist möglich, aber Klimaschutz und Naturschutz können nur erfolgreich vorangetrieben werden, wenn die Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind. Dies macht etwa auch der Moorschutz deutlich.

FFH- und Vogelschutzrichtlinie haben ein großes Potenzial, zu den Zielen der EU-Biodiversitätsstrategie und der Konvention zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt beizutragen. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn die Umsetzung der europäischen Naturschutzrichtlinien auch in anderen Bereichen, insbesondere der Landwirtschaft, aber auch in Forstwirtschaft, Fischerei, Wasserwirtschaft oder der Entwicklung von Infrastruktur, Siedlungen und Gewerbe eine stärkere Unterstützung erfährt."

 

Quellen
Seite

Lippemündungsraum, Naturschutz, Landschaftsschutz, Aktuelles